Zum ersten Mal in Rumänien

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Sonntag, 24. November bis Mittwoch, 27. November 2024

Heute Sonntag verlassen wir Debrecen, nicht ohne für die Strecke bis zur rumänischen Grenze Maut-Gebühren zu bezahlen. Gleichzeitig bezahle ich auch die rumänische Maut für 30 Tage, das macht 56 € für sämtliche Strassen. So haben wir alle Optionen im nächsten Monat offen. Der Verkehr nimmt, je näher wir der Grenze kommen, je mehr ab. An der Grenze sind wir eigentlich alleine da. Obwohl Rumänien auch in der EU ist, wird zwischen Ungarn und Rumänien die Grenzkontrolle noch ernst genommen. Ich bin ein bisschen nervös, denn die Rezensionen auf Google lassen auf einen mühsamen, unfreundlichen Grenzübertritt an der Grenzstelle Nyírábrány – Valea lui Mihai schliessen. Doch die Bedenken sind unbegründet.

Nachdem ich den Motor abgestellt, die Pässe, Führerausweis und Motorfahrzeugpapiere abgegeben habe, schaut der ungarische Beamte ins Fahrzeug. Der rumänische Beamte schaut zu und gibt da ebenso wie der ungarische das OK. Ich denke schon, dass wir abfahren dürfen, doch die Wartezeit zieht sich dahin. Dann kommt der Ungare und weist mich an, auf die Seite zu fahren, denn mittlerweile hat sich eine grössere Kolonne hinter mir gebildet. So geht das Warten weiter, bis schliesslich der ungarische Beamte zu mir kommt. «Es gibt ein Problem», sagt er. Und welches? Es stellt sich heraus, dass im europäischen Zollnetz Pias ID als verloren eingetragen ist. Das stimmt, denn im August 23 wurde diese ja in Frankreich gestohlen, aber kurz darauf ersetzt. Zudem hat der Ungare festgestellt, dass die ID- und die Passnummer nicht übereinstimmen. «Das tun sie in der Schweiz nicht», kläre ich ihn auf. Auch erkläre ich, dass Pias ID neu ist. Er nimmt die neue ID mit. Nach weiteren zehn Minuten kommt dann der rumänische Grenzbeamte mit unseren Dokumenten und sagt freundlich: «OK, good luck!» Nichts von rumänischer Unfreundlichkeit! Alles paletti also, wir sind in Rumänien. Zum ersten Mal, denn in diesem Land waren wir zuvor noch nie.

Das Wetter ist besser als angesagt. Zwar scheint die Sonne nicht, aber es ist schön hell in der winterlichen Landschaft. Uns gefällt es sofort sehr gut hier. Überall hat es viele Rehe auf den verschneiten Felder, ab und zu sehen wir Rebhühner. Nach dem Mittagessen an einer verlassenen Tankstelle fahren wir über kleine Strassen in Richtung Oradea. Hier ist es recht hügelig, die Dörfer sehen recht ärmlich aus. Manchmal weiss man auf die Schnelle gar nicht, ob das Haus eine Wohnung, eine Werkstatt oder ein Stall ist. Die Leute sind freundlich. Viele schauen uns nach, auch Polizisten. Wahrscheinlich haben sie noch nicht all zu oft ein solches Gefährt mit einer Schweizer Nummer gesehen. Kurz vor Oradea irren wir ein bisschen umher, bis wir den Stellplatz am Stausee gefunden haben. Zudem öffnet sich auf einem Holperweg plötzlich die hintere Klappe, was ich erst später bemerke. Also nochmals zurück und das verlorene Gut einsammeln. War wohl mein Fehler. Denn am Mittag habe ich in die Verschlüsse kleine Löcher gebohrt, damit das Kondenswasser abfliessen kann und wohl vergessen, die Klappe wieder abzuschliessen. Nach dem Parkplatz bei der Fönix Arena in Debrecen finden wir wieder einmal einen ruhigen Platz, mitten in einer Schafswiese zwischen Stausee und Bach. Davon zeugen Tonnen von Schafskot um uns herum. Ein herrlicher Sonnenuntergang krönt den Tag.

Pias Geburtstag in Oradea
Am Morgen geht es in die Stadt, wo wir auch Pias Geburtstag mit einem feinen Mittagessen feiern. Doch dazu später mehr. Die Stadt macht einen sehr sauberen und farbigen Eindruck. Auch hier wird fleissig gebaut. Oradea ist alles andere als eine schmutzige Grenzstadt. Wir parkieren ausserhalb der Stadt in Nufărul und fahren mit dem Tram ins Zentrum. Hin und zurück kosten 6 Leu (Fr. 1.10). Zuerst laufen wir durch das fünfeckige Fort Oradea, das heute ein Museum, aber heute Montag geschlossen ist. Dann geht es zu Fuss in die Altstadt. In Rumänien haben wir wieder eine Stunde Vorsprung, also gilt es, ein Restaurant zu finden. Es heisst Taverna. Eine unauffällige Holztür führt via steile Treppe in einen Keller, wo wir bestellen. Mein bestelltes gigantische Schnitzel ist wirklich gigantisch! 45 cm misst es von einem Ende zum anderen. Ich kann beim besten Willen nur die Hälfte essen, den Rest lasse ich mir einpacken. Auch Pia schmeckt heute das Menü (Salat mit Hühnerbrust) wie auch das Bier. Geburtstagsmenü also mehr als gelungen. Zudem gibt es den besten Espresso, den ich je getrunken habe. Eine Tasse mit Kaffee und einem Krüglein mit heisser Milch. Wirklich wunderbar! Das alles (2x Bier, Schnitzel, Pommes, Salat, Hühnerbrust, Espresso) zum sagenhaften Preis von Fr. 26.-. Dann schlendern wir wieder durch die Stadt, damit auch heute unser Marschtacho auf seine Kosten kommt … 😝 Zum Abschluss des Besuches darf ein Cappuccino natürlich nicht fehlen. Bei Sonnenschein und 10° können wir sogar draussen sitzen.

Dann geht es wieder zurück mit dem Tram. Unterwegs kaufen wir noch ein, dann geht es mit dem WoMo wieder zurück zu unserem Stellplatz, den wir gestern schon hatten. Einen wunderbaren Sonnenuntergang habe ich natürlich extra zu Pias Geburtstag organisiert!

Fun-Fact: Unser Stellplatz ist mit 47 Breitengrad ziemlich genau auf der Höhe von Schwanden, meinem Heimatort.

Viele Passstrassen
Am Morgen werden wir wieder mit Sonnenschein geweckt. Keine Wolke am Himmel. Draussen ist es mit 3° nicht all zu kalt. Wir wollen in Richtung Berge fahren und das schöne Wetter ausnutzen. Doch dieses lässt uns etwas im Stich, bald kommen Wolken auf. Diese bleiben bis am Schluss des Nachmittags, erst beim Eindunkeln verziehen sich einzelne Wolken. So fahren wir wieder eine ziemliche Strecke, denn unterwegs gibt es nicht all zu viel zu sehen. Wir fahren auf verschiedenen Passstrassen immer wieder am Schnee vorbei. Aber da die Routen gut ausgebaut sind, ist es überhaupt kein Problem. Trotzdem sehen wir davon ab, die Routen 74 und 75 zu fahren, denn diese gehen bis über 1000 m.ü.M. Auf weiteres Passstrassen fahren habe ich bei diesem Wetter keine Lust. Bei Sonnenschein hätte es wesentlich mehr Sinn gemacht.

Auf der E79 herrscht sehr viel Verkehr, vor allem LKWs, die offenbar ziemlich im Stress sind. Niemand hält sich auch nur annähernd an die Geschwindigkeitslimits, das fällt vor allem innerorts auf. Auch die grösseren Ortschaften haben wenig Reiz wie zum Beispiel Beiuş, Ştei und Brad. Also fahren wir einfach nur durch. Kurz vor Déva (Diemrich) fahren wir wieder in die Berge und finden einen Stellplatz mit Aussicht. Allerdings ist es mehr eine Müllhalde, denn ein einladender Ort zum draussen verweilen. Damit haben die weidenden Kühe kein Problem. Plötzlich wackelt das Wohnmobil. Als ich nach draussen schaue, tut sich eine Herde gütlich am Salz am Fahrzeug. Alles wird abgeschleckt, die Kälber suckeln sogar an den Seitenleuchten. So muss ich sie wegscheuchen. Gut kommt der Bauer mit seinem Quad angefahren und verjagt die Viecher. Er ist ganz freundlich, spricht aber offenbar kein Englisch. Die Nacht ist wie erwartet sehr ruhig.

Keine Perle, dafür fast 2 Liter Schnaps
Am Morgen fahren wir den Berg wieder runter in Richtung Déva (Diemrich). Unterwegs füllen wir unsere Wasserflaschen am Strassenrand an einer Quelle auf. Das machen die lokalen Leute auch so. Sie sind sehr freundlich und lassen uns den Vortritt. Ein kilometerlanges Förderband säumt die Strasse, fast wie in Nuolen. Es führt zu einem riesigen Zementwerk.

Laut Internet soll Déva eine «Perle Siebenbürgens» sein. Davon sehen wir nur wenig, vieles kommt noch daher, wie es wohl zu kommunistischen Zeiten war. Wir parkieren beim Carrefour und laufen unsere Kilometer durch die Stadt, trinken einen Cappuccino in einer Bar. Ich denke, wir werde da richtig abgezockt, auch wenn er «nur» 3 € kostet. Die Stadt kommt etwas trostlos daher. Schüler sind universell gleich. Sie warten am Zaun der Schule, treiben Schabernack, bis die Bäckerin ihre Ware feil bietet. Per Zufall kommen wir an der Markthalle vorbei, wo wir etwas Kleines einkaufen. Dass Wahlkampf in Rumänien ist, sehen wir an einem Kandidaten, der mit Entourage durch die Markthalle läuft. Seine armen Adlaten müssen alles, was der gute Mann einkauft (und das tut er an praktisch jedem Stand!) hinter ihm hertragen. Ein typischer Politiker-Auftritt. Ich esse eine Wurst und Langos mit Gorgonzola, lasse mir die Haare schneiden (10 Franken), dann geht es mit dem WoMo wieder aus der Stadt in Richtung Sibiu. Unterwegs halten wir in Băcăinți spontan auf einem Parkplatz neben der Mieresch an. Pia geht laufen, ich unterhalte mich mit einem der Bauarbeiter, die das Häuschen an der alten Fährstelle umbauen. Dann bringe ich vier Tafeln Schweizer Schokolade, das sie ja Kraft brauchen. Es geht nicht lange, da kommt einer der Arbeiter mit seinem Auto bei uns vorbei und bringt 1,75 Liter Palinka. Der Schnaps sei selbst gebrannt und eine typische Spezialität der Region. Wunderbar, wie das Leben auf Reisen so spielt! Einmal mehr zeigen sich die Einwohner Rumäniens von ihrer besten Seite. Völkerverständigung wäre doch so einfach, auch in schwierigen Zeiten wie heute!

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